Dehnen als Wachstumsreiz: Bringt Stretching wirklich mehr Muskeln?

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Wenn von Muskelaufbau die Rede ist, denken viele direkt an schwere Gewichte, Proteinshakes und schweißtreibende Workouts. Doch was, wenn ausgerechnet Dehnen – oft nur als Aufwärm- oder Cooldown-Routine belächelt – ebenfalls ein effektiver Reiz für Muskelwachstum sein könnte?

Neue Studien zeigen: Dehnen für Muskelwachstum ist mehr als nur ein Fitness-Mythos. Es könnte tatsächlich ein unterschätztes Werkzeug im Krafttraining sein – mit beeindruckenden Ergebnissen.

Dehnen für Muskelwachstum: Was sagt die Wissenschaft?

Forschungen der letzten Jahre, insbesondere von Warneke et al. (2022, 2023), zeigen: Regelmäßiges, intensives Dehnen kann zu signifikanten Muskelzuwächsen führen – sogar ohne klassisches Krafttraining!

In Tierstudien führten extreme Dehnprotokolle zu Zuwächsen der Muskelquerschnittsfläche von bis zu 141,6 % und einer Erhöhung der Muskelfaseranzahl um über 80 %. Diese dramatischen Ergebnisse wurden zwar unter sehr speziellen Bedingungen erzielt (z. B. kontinuierliches Dehnen mit Gewichten), lassen aber erahnen, welches Potenzial im Dehnen steckt.

Auch beim Menschen zeigte sich: Wer täglich eine Stunde die Wadenmuskulatur mit einer speziellen Orthese dehnte, konnte die Muskelkraft um bis zu 14,2 % und den Muskelquerschnitt um bis zu 15,2 % steigern – in nur sechs Wochen. In einer weiteren Studie mit zwei Stunden täglichem Dehnen stieg die Kraft sogar um beeindruckende 22,3 %!

Wie funktioniert Muskelwachstum durch Dehnen?

Der entscheidende Wachstumsreiz ist die mechanische Spannung – ein bekanntes Prinzip auch aus dem Krafttraining. Diese Spannung aktiviert spezifische Mechanorezeptoren in den Muskelzellen, die biochemische Prozesse auslösen und dadurch das Muskelwachstum (Hypertrophie) fördern.

Laut Warneke et al. (2023) spielen dabei folgende Strukturen eine Rolle:

  • Costamere: Übertragen Kräfte von der Muskelfaser zur extrazellulären Matrix – ein Schlüssel zur mechanischen Signalweiterleitung.

  • Titin: Das größte bekannte Protein wirkt als molekulare Feder im Muskel und stimuliert anabole Signalwege.

  • Filamin-C: Ein Strukturprotein, das bei Verformung Wachstumsprozesse aktivieren kann.

  • Dehnungsempfindliche Ionenkanäle: Reagieren direkt auf Dehnreize und könnten Signale zur Muskelvergrößerung auslösen.

Zudem legen erste Hinweise nahe, dass Dehnen die Anzahl der Sarkomere in Serie erhöhen kann – was nicht nur die Länge, sondern langfristig auch den Muskelquerschnitt beeinflussen könnte.

Dehnen und Muskelaufbau: Wie alltagstauglich ist das?

Klar ist: Zwei Stunden täglich intensives Dehnen ist für die meisten Sportler kaum machbar. Dennoch kann gezieltes Dehnen als Ergänzung im Muskelaufbau gerade für fortgeschrittene Athleten oder Bodybuilder mit stagnierenden Fortschritten eine spannende Strategie sein.

Mögliche praktische Anwendungen:

  • Stretching als Finish nach dem Training – insbesondere bei Muskelgruppen mit stagnierendem Wachstum.

  • Gezielte Stretching-Sessions an trainingsfreien Tagen.

  • Kombination von Dehn- und Krafttraining, um unterschiedliche Wachstumsreize zu setzen.

Wichtig: Das Dehnen sollte intensiv, jedoch kontrolliert und regelmäßig erfolgen, um die gewünschten Effekte zu erzielen.

Fazit: Dehnen – das unterschätzte Tool für Muskelwachstum?

Die aktuelle Forschung legt nahe: Dehnen kann das Muskelwachstum effektiv fördern, wenn es richtig eingesetzt wird. Zwar ist die Methode nicht für jeden praktikabel, doch das Potenzial ist da – vor allem als zusätzliche Reizquelle neben dem klassischen Krafttraining.

Wer also das Maximum aus seinem Training holen will, sollte das Thema „Dehnen Muskelwachstum“ definitiv auf dem Schirm haben. Es lohnt sich, den Blick über die Hantelbank hinaus zu richten – und vielleicht kommt der nächste Muskelzuwachs ja nicht vom Pump, sondern vom Stretch!

Quellen:

Helms, E. (2023). How Does Stretching Induce Gains in Hypertrophy and Strength?. Stronger by Science.

Warneke, K., Brinkmann, A., Hillebrecht, M., & Schiemann, S. (2022). Influence of Long-Lasting Static Stretching on Maximal Strength, Muscle Thickness and Flexibility. Frontiers in physiology13, 878955. https://doi.org/10.3389/fphys.2022.878955

Warneke, K., Freund, P.A. & Schiemann, S. Long-Lasting Stretching Induces Muscle Hypertrophy: A Meta-Analysis of Animal Studies. J. of SCI. IN SPORT AND EXERCISE 5, 289–301 (2023). https://doi.org/10.1007/s42978-022-00191-z

Warneke, K., Lohmann, L. H., Lima, C. D., Hollander, K., Konrad, A., Zech, A., Nakamura, M., Wirth, K., Keiner, M., & Behm, D. G. (2023). Physiology of Stretch-Mediated Hypertrophy and Strength Increases: A Narrative Review. Sports medicine (Auckland, N.Z.)53(11), 2055–2075. https://doi.org/10.1007/s40279-023-01898-x

Warneke, K., Wirth, K., Keiner, M., Lohmann, L. H., Hillebrecht, M., Brinkmann, A., Wohlann, T., & Schiemann, S. (2023). Comparison of the effects of long-lasting static stretching and hypertrophy training on maximal strength, muscle thickness and flexibility in the plantar flexors. European journal of applied physiology123(8), 1773–1787. https://doi.org/10.1007/s00421-023-05184-6

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