Was wird bei Kniebeugen am meisten beansprucht?
ÜBERBLICK
Bei der Beurteilung, wie stark der Musculus quadriceps femoris bei der Kniebeuge beansprucht wird, ist die Belastung eine wichtige Variable, die oft zu wenig diskutiert wird.
Zum Beispiel trainiert man durch das Bankdrücken, Brustmuskeln als auch Trizeps. Wenn du mit 80 Prozent deines Wiederholungsmaximums (1RM) trainierst, bedeutet das nicht automatisch, dass deine Brustmuskeln als auch dein Trizeps 80% ihrer maximalen Kraftkapazität produzieren. Denn bei männlichen Kraftsportlern scheint es, dass die Brustmuskeln beim Bankdrücken deutlich stärker beansprucht werden als der Trizeps. Mit anderen Worten, wenn du beim Bankdrücken mit 80 Prozent des einen Wiederholungsmaximums (1RM) arbeitest, können die Brustmuskeln 90 Prozent ihrer maximalen Kraft ausüben, während der Trizeps aber nur 70 Prozent verwendet wird.
Wenn also die Belastung von 80 auf 100 Prozent des einen Wiederholungsmaximums erhöht wird, steigt die Beanspruchung der Brustmuskel nur unwesentlich, während die Ermüdung des Trizepses deutlich zunimmt.
Was wird am meisten beansprucht?
Dieses gleiche Muster ist auch bei Kniebeugen zu beobachten. Die Vorderseite der Oberschenkelmuskulatur (Quads) wird hauptsächlich beansprucht, aber auch die Belastung des Hüftstreckers nimmt zu, wenn mit maximalen Lasten trainiert wird. Die direkten Beweise für diese Behauptung waren jedoch begrenzt. Eine EMG-Studie hat festgestellt, dass sich der Einsatz der Oberschenkelmuskeln mit zunehmender Belastung von 50 auf 90 Prozent bei einem Wiederholungsmaximum sich kaum veränderte. Ebenso fand eine andere Studie heraus, dass die Langhantelbelastung einen großen Einfluss auf die Muskelanstrengung der Hüftstrecker, aber praktisch keinen Einfluss auf die Kniestrecker hatte. Die Muskelanstrengung (RME) der Kniestrecker stieg mit größerer Kniebeugentiefe, aber ohne Langhantelbelastung. Sowohl eine größere Kniebeugentiefe als auch eine Langhantelbelastung erhöhten die Anstrengung des Hüftstreckers. Das deutet also darauf hin, dass ein Training für Kniestrecker mit geringen Intensitäten durchgeführt werden sollte, diese aber eine tiefe Kniebeuge erfordert. Schwerere Langhantelbelastungen sind erforderlich, um die
Hüftstrecker zu trainieren. Daher sollte bei Mehrgelenksübungen berücksichtigt werden, wie man die verschiedenen Muskelgruppen beanspruchen kann, um die bestmöglichen Trainingsziele zu erreichen.
Eine aktuelle Studie erforschte Probanden, die eine Kniebeuge absolvierten mit einer einzigen Wiederholung mit Belastungen von 90 und 100 Prozent. Die spannendsten Ergebnisse zeigten sich bei den Messungen der Knie- und Hüftstreckungsmomente. Die Gelenksmomente wurden anhand von Kraftmessplattendaten und 3D- Bewegungserfassungssystem bewertet.
Knie- und Hüftgelenksmomente wurden an vier Punkten bei der Kniebeuge beobachtet, nämlich:
1. Beginn der konzentrischen Phase (Aufwärtsbewegung)
2. Maximale Geschwindigkeit vor dem Sticking-Bereich
3. Maximale Verzögerung während des Sticking-Bereichs
4. Minimale Geschwindigkeit am Ende des Sticking-Bereichs
Konzentrische Phase = gegen einen Widerstand arbeiten
Sticking-Bereich = herausforderndste Teil einer Übung (z.B. der Punkt, wo Oberschenkel parallel zu Boden sind, ab dann wird es schwieriger)
Die Studie stellte also fest, dass die Hüftstreckungsmomente mit zunehmender Belastung zunahmen, die Kniestreckungsmomente waren jedoch bei allen drei Belastungen praktisch identisch.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Eine andere Studie verwendete weibliche Kraftsportler, während die vorliegende Studie nur männliche Kraftsportler verwendete. Hier wurde die Belastung von 50 bis 90 Prozent des einen Wiederholungsmaximums bewertet. Während die Studie mit den männlichen Kraftsportler Belastungen von 90 bis 102 Prozent des einen Wiederholungsmaximums beobachteten.
Somit liefert dieses Studienpaar einen starken Beweis, dass die muskulären Beiträge zur Kniebeuge stark von der Belastung beeinflusst werden. Bei geringerer Belastung ist die Kniebeuge viel mehr Oberschenkel-Vorderseite dominierende Übung, wobei die Hüftstrecker mit zunehmender Belastung ebenso zunehmen. Dieses Muster ist
vermutlich auch vorhanden, wenn man das Ganze bis zum Muskelversagen beobachtet. Wiederholungen, die weiter vom Muskelversagen entfernt sind, verlassen sich mehr auf die Vorderseite des Oberschenkels (Quads), während die Hüftstrecker mehr beitragen, wenn sich ein Satz dem Muskelversagen nähert. Dafür gibt es weniger direkte Beweise.
Trainieren bis zum Muskelversagen?
Diese Forschungsergebnisse erklären, warum es sinnvoll ist, dass Gewichtheber weit entfernt von ihrer Belastungsgrenze trainieren. Ein Training, ohne an die Grenzen zum Muskelversagen zu gehen, führt zu einem robusten Wachstum der Quads. Wenn wir davon ausgehen, dass die Muskelanstrengung für alle Hauptbeweger im Wesentlichen linear mit zunehmender Belastung oder zunehmender Nähe zum Muskelversagen zunimmt, würden wir davon ausgehen, dass das Training mit einer bestimmten Anzahl von Wiederholungen in Reserve, ähnliche Auswirkungen auf einen bestimmten Muskel haben sollte.
Wenn dies jedoch keine korrekte Annahme ist, und davon gehen wir aus, kann man möglicherweise einen bestimmten Muskel mit mehr Wiederholungen in Reserve, in einigen Übungen effektiver trainieren. Dafür muss aber bei anderen Übungen näher an das Muskelversagen herangegangen werden. Die Quads erhalten einen angemessenen Reiz von Kniebeugen, die weiter vom Muskelversagen entfernt ausgeführt werden. Daher muss man möglicherweise näher am Muskelversagen trainieren, wenn man eingelenkige Übungen (z.B: Kniestrecken) durchführt.
FAZIT:
Die Belastung, mit der eine Übung ausgeführt wird, entscheidet darüber, welche Muskelgruppe mehr beansprucht wird.
Die Kniebeuge wird hauptsächlich von der Belastung beeinflusst.
Die Quads werden bei einer Kniebeuge mehr beansprucht, wenn man weiter
vom Muskelversagen entfernt trainiert.
Bis zum Muskelversagen zu trainieren, ist nur bei eingelenkigen Übungen
sinnvoll.
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QUELLEN
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